VEREINT IM WUNSCH NACH FRIEDEN

Gemeinsam für den interreligiösen Dialog stehen Halil Sahin (Dialogbeautragter der DITIB-Moschee), Hasan Akbaba (Aleviten), Kadir Sevgi (Religionsgelehrter der DITIB-Moschee), Rami Suliman, Andrew Hilkowitz und Michael Bar-Lev (alle jüdische Gemeinde), OB Gert Hager, Uma Maheswara Kurukal (Hindu), Christiane Quincke (evangelische Dekanin), Bernhard Ihle (katholischer Dekan) und Gerhard Heinzmann (evangelische Kirche und Organisator, von links). Foto: Bechtle

In Zeiten, in denen nicht selten, sondern immer öfter und zumindest vordergründig gerechtfertigt Religionen die Schuld an Krieg und Verfolgung gegeben wird, haben anlässlich der gestern gestarteten „Woche der Brüderlichkeit“ Vertreter der Glaubensgemeinschaften daran erinnert, dass Religionen – unterm Strich – im Lauf der Menschheitsgeschichte sehr wohl Segensreiches gestiftet hätten. Schlächter wie Hitler, Stalin und Pol Pot (Kambodscha) – allesamt Atheisten – hätten mehr Menschen auf dem Gewissen als Auswüchse religiösen Fanatismus’, so der Rabbiner Ariel Folger (Straßburg). Oder der aus Frankfurt angereiste Islam-Theologe Selcuk Dogruer, der in seinem Referat im Kulturhaus Osterfeld die friedliche Kernbotschaft des Islam zu definieren versuchte.

Vom Judentum als der „älteren Schwester“ und dem Islam als „jüngerem Bruder“ sprach Professor Klaus Müller, Dialogbeauftragter der Evangelischen Landeskirche (Karlsruhe). Kirche, die den Weg der Gewalt gutheiße und mit dem Kreuz Christi zu Felde ziehe, habe dessen Weg verlassen, so Müller. In Zeiten der ver- und beharrenden Standpunkte und herrschenden Stillstands begrüßte er ausdrücklich das Motto der diesjährigen „Woche der Brüderlichkeit“: „Im Gehen entsteht der Weg.“ Der Dialog der Religionen entstehe durch Bewegung aufeinander zu.


Auch Hindus dabei

So sieht es auch Oberbürgermeister Gert Hager, der die Woche offiziell eröffnete und erstmals in dem ohnehin schon seltenen Dreigestirn Judentum, Christentum und Islam den Hinduismus als vierte große Weltreligion begrüßte. Als er sich am 23. Februar abends vor den Friedensgebeten – die auch gestern gesprochen wurden – auf dem Marktplatz die Menschen angeschaut habe, habe ihm dies Mut gemacht: alle Altersgruppen, erkennbar viele Nationalitäten, Menschen verschiedener Religionszugehörigkeit – vereint in ihrem Wunsch nach Frieden und Miteinander. Nicht die Religion, sondern ihr Missbrauch sei von Übel.

Ähnlich der kurzzeitig in Pforzheim wirkende Rabbiner Arie Folger, den es letztlich aber nach Straßburg zog, wo auch er und seine Familie nach den Attentaten islamistischer Fanatiker in Paris auf die Straße gingen: „Das Potenzial, sich zu benehmen wie Engel oder Bestie, gilt für alle Menschen zu allen Zeiten.“


Juden in großer Gefahr

Folger warnte davor, den offenen und verdeckten Antisemitismus gewissermaßen in der pauschalen Absage an Rassismus untergehen zu lassen. Antisemitismus sei noch einmal eine ganz andere Ausprägung: Die höchste Zahl der durch Hass motivierten Taten sei gegenüber niemandem größer als gegen die Juden.



Quelle: Pforzheimer Zeitung - Montag, 09.03.2015