Exzellenz kennt keine Berührungsängste


Foto: Sahin
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Mehr Teilhabe hat der türkische Botschafter Hüseyin Avni Karslioglu bei der Pforzheim-Visite am Sonntag für seine in Deutschland lebenden Landsleute gefordert und sich für die Wiedereinführung der doppelten Staatsbürgerschaft stark gemacht.

Zugleich rief er in seiner zweisprachig gehaltenen Rede im Bürgerhaus Buckenberg-Haidach die türkischstämmigen Pforzheimer dazu auf, zusammenzuhalten, Respekt zu wahren und Vorurteilen abzuschwören.

Türken und Deutsche sollten sich „auf jeder Ebene mehr verständigen“. Die Bürger müssten weder ihren Glauben aufgeben noch ihre Wurzeln verleugnen, um weiter zusammenzuwachsen. Im Gegenteil. „Bunt ist viel schöner als einfarbig“, sagte der Botschafter und sprach sich für eine „Vielfalt in Einheit“ aus.

 

„Ich bin einer von Ihnen“

 

Religionen könnten gelebt werden und sich bereichern, wenn alle die Gesetze achteten und die Freiheit der anderen nicht beeinträchtigten. „Ob sunnitisch, alevitisch, andergläubig oder ungläubig: Das ist mir egal“, betonte Karslioglu. Er werde „keine Minute ruhen“, um das Miteinander beider Nationen weiter zu fördern.

Es war ein gleich in mehrerer Hinsicht bemerkenswerter Auftritt und ein Tag der großen Gesten. Als weltoffen und westlich orientiert gab sich der Mann mit der blond-weißen Mähne und dem Stecker im Ohr. Er hatte seinen Vater mit nach Pforzheim gebracht, der infolge des türkischen Militärputschs 1961 nach Deutschland übergesiedelt war. Sohn Hüseyin lebte mehrere Jahre in Donaueschingen und Kaiserslautern, ehe er zurück in die Türkei zog. Als „Kofferkind“ habe er sich „hin und her gezerrt“ gefühlt. Der Vater sei geblieben, habe aber seine Wurzeln bewahrt. „Ich bin einer von Ihnen“, rief der Botschafter den Landsleuten zu und sagte im Rückblick: „Es war schwer, aber es hat sich gelohnt.“ Als Kind habe ihn seine deutschstämmige Großmutter deutsche Tugenden und die deutsche Sprache gelehrt, aber auch darauf bestanden, dass er Türkisch lernte und den Koran las. Sie habe ihn auch in die Kirche mitgenommen.

 

Die Botschaft des aufeinander Zugehens spiegelte das Besuchsprogramm wider. Stationen waren sowohl die Fatih-Moschee als auch die Synagoge und die Schloßkirche. Gunther Krichbaum, der den Botschafter eingeladen hatte, wertete dies als „sehr schönes Zeichen“. Für Pforzheim sei der Besuch des höchsten Repräsentanten der Türkei in Deutschland ein „Signal der Verbundenheit und der Wertschätzung“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Europa-Ausschusses. Zudem habe der türkische Präsident Abdullah Gül mit der Entsendung seines Beraters und „besten Manns“ nach Berlin ein politisches Ausrufezeichen gesetzt. Der Botschafter wisse, „wie Deutschland denkt und fühlt“.

 

Hohe Erwartungen

 

Einige Deutsche hätten ein „sehr verzerrtes Bild“ von der Türkei, die sich längst zur boomenden Industrienation und wichtigen Handelspartner entwickelt habe. Viele Pforzheimer aber förderten Völkerverständigung und Dialog.

Dies führte das eigens für den Diplomaten im Bürgerhaus initiierte Familienfest vor Augen. Deutsch-türkische Gesellschaft und Vereinigung, alevitischer Kulturverein sowie Musik- und Tanzgruppen bereiteten dem Gast sichtlich Freude, der zudem eine Delegation aus Pforzheims Partnerstadt Nevsehir begrüßte. Dessen Besuch sei „mehr als wichtig“, betonte Halil Sahin, Dialogbeauftragter der Fatih-Moschee. „Wir hoffen, dass er sich für seine Landsleute einsetzt“, bekräftigte Yusuf Murat Yildiz, Vorsitzender des deutsch-türkischen Kulturvereins. Sie alle würden sich über weitere Besuche aus Berlin freuen, zu denen OB Gert Hager den Botschafter animierte.

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