PZ-Integrationsserie:

Manchmal ist die Religion dann doch egal


Foto: Seibel
Foto: Seibel

Da wird schon auch mal diskutiert: Rami Suliman, Christa Mann und Rukan Yabanci (von links) fördern und pflegen den regelmäßigen Austausch zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften in der Goldstadt.

 

Es ist eine beispiellos brutale Tat. Der Berliner Rabbiner hatte gerade seine siebenjährige Tochter vom Klavierunterricht abgeholt, als er von vier Jugendlichen – mutmaßlich arabischer Herkunft – gestoppt wurde.

Nach einem Blick auf dessen Kippa fragten sie ihn, ob er Jude sei. Als dieser bejahte, schlugen sie ihn nieder und brachen ihm das Jochbein. Als sei das nicht schon grausam genug, drohten sie dem kleinen Mädchen, das mit ansehen musste, wie der Vater zusammengeschlagen wird, mit dem Tod.

Dieser Fall lässt aufhorchen. Gerät der interreligiöse Dialog ins Stocken? Was muss getan werden, damit in Deutschland gewährleistet wird, dass man seine religiösen Symbole tragen kann, ohne dass man um sein Leben bangen muss. Und: Wie ist die Situation in Pforzheim?

 

Keine Probleme in der Goldstadt

Im Gegensatz zum Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, der laut Pressemeldungen einen wachsenden Antisemitismus in muslimischen Communities sieht, beurteilt Rami Suliman, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Pforzheim, zumindest die Lange in der Goldstadt positiv. „Solche Probleme gibt es in Pforzheim eigentlich nicht“, sagt Suliman. An einen Fall erinnert er sich dann doch. Vor drei Jahren wurde ein damals 17-jähriger Schüler des Kepler-Gymnasiums Opfer antisemitischer Beleidigungen (PZ berichtete). Doch insgesamt zeigt sich Suliman über die Situation in Pforzheim sehr zufrieden. „Wir haben schon immer ein sehr gutes Verhältnis zu den christlichen Gemeinden“, sagt er. Seitdem die Fatih-Moschee seit ein paar Jahren Dialogbeauftragte habe, sei auch zur muslimischen Gemeinde der Dialog gewachsen. Das Verhältnis sei sehr gut. Schon mehrmals hätten einige Vertreter der Fatih-Moschee gemeinsam die Synagoge besucht. Für die Zukunft sei nun sogar ein gemeinsames Backgammon-Turnier in der Pforzheimer Synagoge geplant, bei dem türkisches Essen serviert werde. „Aber die Aktion wird nicht auf der religiösen Ebene laufen“, sagt Suliman weiter. Man wolle einfach gemeinsam einen schönen Nachmittag verbringen und sich näher kennenlernen. Sein Mittel für ein gutes Miteinander ist ganz einfach: „Wir respektieren die anderen Religionen. Gleichzeitig wollen auch wir respektiert werden“, erklärt der Vorsitzende. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, gebe es keine größeren Probleme.

 

Guter Kontakt zur Synagoge

Rukan Yabanci, Vorstandsmitglied der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) in Pforzheim, die Träger der Fatih-Moschee in der Pforzheimer Oststadt ist, stimmt Suliman in allen Punkten zu. „Wir pflegen einen sehr guten Kontakt zu den christlichen Gemeinden und zu den Juden in Pforzheim“, sagt Yabanci. Er erinnert sich an den freundlichen Empfang, den die Synagoge ihnen bereitet habe, als der türkische Botschafter dieses Jahr die Goldstadt besuchte. Auch in der Moschee seien Besucher generell jederzeit herzlich willkommen. „Wenn man vorher einen Termin vereinbart, hat auch sicherlich einer unserer Dialog-Beauftragten Zeit für ein Gespräch“, sagt Yabanci. Dieses Angebot werde von den Pforzheimern intensiv genutzt. „Kindergärten und Schulen, aber auch einfach interessierte Menschen stellen uns wöchentlich Anfragen für eine Besichtigung“, sagt er. Er freut sich, dass einer der Dialogbeauftragten, der in Deutschland geboren und in Pforzheim sein Abitur absolviert hat, nun um Imam zu werden zum Studieren in die Türkei gegangen sei. Nach dem Abschluss wolle dieser wieder zurückkehren. „Dadurch, dass er in Deutschland aufgewachsen ist und beide Kulturen kennt, kann er später viel für den Dialog beitragen“, glaubt Yabanci.

 

Dialog ist der Schlüssel

Christa Mann, Beauftragte für den interreligiösen Dialog der evangelischen Kirche in Pforzheim, beurteilt die Situation ebenfalls ausnahmslos positiv. Sie unterhalte gute Verbindungen zu allen Pforzheimer Moscheen – mit Ausnahme der Salafisten. Seit mehr als zehn Jahren überreiche die evangelische Kirche am Ramadan-Fest Grußbotschaften des Landesbischofs an die muslimischen Gemeinden. Ebenfalls bemühe man sich regelmäßig um einen „Trialog“, also ein Zusammenkommen der drei großen Religionsgruppen. Christa Mann verweist in diesem Zusammenhang – nicht ganz ohne stolz – auf die Ausstellung „Weltethos“, die im Rahmen des interkulturellen Festivals „Mix versteh‘n“ gemeinsam von den christlichen Einrichtungen und der Fatih-Moschee sowie der jüdischen Gemeinde in die Goldstadt geholt wurde.

Ob ein Fall wie in Berlin auch in Pforzheim oder der Region möglich sei? Christa Mann glaubt nicht daran. „Aber da steckt man ja nie drin“, fügt sie hinzu. Wichtig sei, dass man sich untereinander kenne und stetig in einen Dialog trete. Sie wisse kein anderes Mittel, um solche Geschehnisse wie in Berlin zu verhindern.